PRAXIS UND ERLÄUTERUNG

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Je zwei Kinder stehen sich gegenüber und halten einen Stab zwischen sich. Der Stab liegt aber nur auf Daumen, Zeige- und Mittelfinger auf und wird nicht festgehalten. Die Kinder sollen sich in ihren Arm, dann in den Stab und durch den Stab hindurch in den Gegenüber hineinfühlen. Sie sollen dann vom Körper her in eine leichte Schwingung kommen und der Bewegung des Stabes mit der Vorstellung folgen, der Stab wäre von sich aus in Bewegung. (-)
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In dieser Übung werden die klaren Rollenverhältnisse beim Führen und Geführt-Werden weitgehend aufgelöst. Voraussetzung dafür ist die Wahrnehmungsschulung, die tatsächlich erlaubt, mit der Empfindung über die eigenen Körpergrenzen hinauszugehen. Dadurch wird die Grundlage für Verursachung, Mittel und Wirkung verändert. Die eigentlich verursachende Handbewegung "folgt" jetzt nur noch. Wo fängt der Stab an, wo das Gegenüber, wo höre ich auf, wer folgt wem? Die Wirkung der Übung ist aber nicht in erster Linie verwirrend. Sie gestattet eigentlich nur eine Auflösung bestimmter Wahrnehmungsschemata von Kontrolle und Führung zugunsten eines intuitiven "Sich Anpassens". Es ist wichtig, daß der Lehrer/Künstler am Ende die Wahrnehmung sorgfältig in die Körpergrenzen zurückführt. (7-8 Minuten)

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Fremdentspannung mit Lenkung der Wahrnehmung auf den Atem und seine unwillkürliche Regelung von Einatem, Ausatem und (eventuell) Atempause. Es wird das Bild eines Berges eingeführt. Das Kind steht auf einer Wiese und sieht einen Weg, der auf den Berg führt. Es soll diesen Weg hoch gehen und gucken, was dabei geschieht. Oben auf dem Gipfel gibt es einen weisen alten Mann, dem eine wichtige Frage gestellt werden kann 1.
ad 2
Dieses Bild kann den "Inneren Leitfaden", eine Intuition über den Lebensweg, ansprechen. Dazu gehört auch der weise alte Mann. Die Antwort bezieht sich entsprechenderweise oft auf Entscheidungen über den weiteren Lebensweg: In der Sichtweise des Berges spiegelt sich meist die Sichtweise eines wichtigen oder gar des zentralen Lebensproblems wieder. Die Bewältigung des Berges hat demnach viel damit zu tun, wie das Kind sich selbst in bezug auf seine Fähigkeit sieht, seine Probleme zu lösen oder allgemein mit Schwierigkeiten zurechtzukommen. Der Eremit steht thematisch für eine wichtige Frage und hat direkt mit dem Problem zu tun, für das ja schon der Berg steht. In der Sicherheit, seinen Weg auf den Berg zu finden, drückt sich ein Grundgefühl aus, auch im Leben seinen Weg zu finden, eine intuitive Sicherheit, die richtigen Entscheidungen zu treffen und für Herausforderungen gewappnet zu sein. Die Aufforderung an die Kinder, dem Eremiten eine Frage zu stellen, ermöglicht über die Sichtweise des Berges hinaus eine klare, eindeutige Formulierung des Themas. Manchmal enthält die Antwort verblüffend direkte Lösungsmöglichkeiten, die das Unbewußte nahelegt und die vorher - verloren in Details und Zweifeln und ohne Blick für das Wesentliche - dem bewußten Denken nicht klar wurden. ( 20 Min)

1Siehe ausführlich in Dr. Detlef Kappert, ARCHETYPEN, INNERE BILDER UND KÖRPERSYMBOLIK, S. 44ff,
Verlag für Ästhetische Bildung, Essen 1997
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